Eduard der Schrooter

Fasnachtszeedel der Kuttlebutzer 1946

Bolo-Zeedel - Kuttlebutzer 1946 - Eduard der Schrooter

Ein 1946 von Bolo geschriebener Fasnachtszeedel für die Clique D' Kuttlebutzer  mit dem Sujet «Eduard der Schrooter», eine Abrechnung mit Alt-SVP-Bundesrat Eduard "Edi" von Steiger. Als Bundesrat war er ab 1940 Justizminister, wodurch er massgeblich für die Flüchtlingspolitik der Schweiz im Zweiten Weltkrieg und die vollumfängliche Grenzsperre für jüdische Flüchtlinge verantwortlich war. Er bekleidete zudem zweimal das Amt des Bundespräsidenten.

Am 13. August 1942 erliess das Justiz- und Polizeidepartement eine totale Grenzsperre für jüdische Flüchtlinge. Sie wurde etwas später vom Gesamtbundesrat bestätigt. Am 30. August 1942 führte die reformierte Jugendorganisation Junge Kirche in Zürich-Oerlikon eine schweizerische Landsgemeinde durch. Nachdem am Vormittag der Basler Pfarrer Walter Lüthi gesprochen hatte, hielt Eduard von Steiger am Nachmittag vor den rund 8000 anwesenden Jugendlichen eine Rede, in der er die restriktive Politik der Schweiz gegenüber den jüdischen Flüchtlingen im Zweiten Weltkrieg mit dem berühmt gewordenen Bild des «kleinen Rettungsbootes» zu rechtfertigen suchte:

Wer ein schon stark besetztes kleines Rettungsboot mit beschränktem Fassungsvermögen und ebenso beschränkten Vorräten zu kommandieren hat, indessen Tausende von Opfern einer Schiffskatastrophe nach Rettung schreien, muss hart scheinen, wenn er nicht alle aufnehmen kann. Und doch ist er noch menschlich, wenn er beizeiten vor falschen Hoffnungen warnt und wenigstens die schon Aufgenommenen zu retten sucht.

Die Zahl der abgewiesenen und damit grossteils in den Tod getriebenen Juden ist umstritten, es wird von bis zu 25'000 oder «nur» einigen tausend gesprochen; letztere Einschätzung stützt sich darauf ab, dass wohl viele Flüchtlinge mehrmals versuchten, die gesperrte Grenze zu überqueren und es damit zu Mehrfachzählungen kam. (Quelle)

Im obigen Zeedel, der von Steiger voll blanker Ironie als Helden auf ein Podest stellt, wird die Flüchtlingspolitik mehrmals direkt angesprochen, am deutlichsten z.B. hier:

.. und keine neunzigtausend zruckgewiesen, denn dieses wäre ja ihr sich'rer Tod.

Allerding lässt bereits der Titel erahnen, dass der Text Edi nicht wohl gesinnt ist. So bezeichnet «Schrooter» im Titel einen Menschen, der mit Schroot schiesst, einen Schredder, einen Zerstörer.

Der Text schliesst dann nach ironischer Lobesbekundung mit den unmissvertändlichen Worten:

... ein Dubel bist du trotzdem, dass du 's weisst!

Wie der Zeedel gelesen werden muss, wird übrigens in folgender Zeile erklärt:

Damit du siehst, wie wir dich zümpftig lieben,
damit du, lieber Edi, und verstohst,
deswägen ist der Zettel deutsch geschrieben,
Dir unserm Seelenretter, unserm Trost.

In stilechtem SVP-Hochdeutsch aus dem Emmental natürlich, dem Geburtsort unseres «Freund des Volkes, wie 's kein zweiter ist»!

←Alle Fasnachtszeedel