Letzte Blätter ...

Der Sturmwind heult auf! Novemberwetter.
Die Bogenlampen schwanken im Wind,
Als duckten sie sich wie ein angstvoll Kind.
Die Luft durchwirbeln die stäubenden Blätter ...

Noch stehen die Wälder in Farbenpracht.
Gleich Fackeln leuchten sie himmelan.
In ihren Wipfeln seufzt es: «Wann?»
Sie ahnen die kalte Wintersnacht.
Noch stehen die Wälder in Farbenpracht ...

Das loht zündendgelb, das glüht flammendrot,
Wie nur ein Himmel die Farben malt.
Die Farbe wird mit dem Leben bezahlt:
Braunwerden bedeutet den raschelnden Tod.
Das loht zündendgelb, das glüht flammendrot ...

Den Tod? Mit nichten: es gibt kein Ende.
Von Altem befreit der Sturmwind den Baum,
Die Blätter geh’n schlafen. Jahrtausendetraum.
Dem Baum ist das nur eine Jahreswende.
Den Tod? Mit nichten: es gibt kein Ende ...

Was heute schon Kohle — war gestern noch Baum,
Wird morgen zu Asche, der Erde geweiht,
Schlüpft übermorgen in ganz neuem Kleid
In neulebend Wesen aus tiefdunklem Traum.
Denn tausend Jahr’ sind dem Menschen ein Tag,
An den er sich nicht mehr erinnern mag ...

Von Martin Primavera.


Publiziert am 18. November 1931 in Dr glai Nazi