
Kinderbeilage der National-Zeitung 1926 - 1977.
Über die Kinderbeilage
Im Jahre 1926 gründete Bolo Maeglin als freier Mitarbeiter der National-Zeitung die Kinderbeilage Der kleine Nazi, eine vier- bis achtseitige Beilage voller Gedichten, Geschichten, Witzen, Zeichnungen und Rätseln für Kinder.
Ab der Nummer 44 des Jahres 1950 (8. November 1950) bis zur letzten Nummer 1977 wurde der offizielle Name auf Baseldeutsch abgeändert und hiess somit fortan Dr Glai Nazi.


Das Logo wurde erst später, vermutlich in den 60er oder 70er Jahren, leicht abgeändert (siehe rechts).
Bis Ende der 60er-Jahre war Bolo der Patenonkel (oder auf Baseldeutsch der "Getti") dieser beliebten Kinderbeilage und veröffentlichte darin nicht nur regelmässig seine Gedichte sondern ebenfalls seine Kinderromane als Fortsetzungsggeschichten. So zum Beispiel 1927 die Zigeunergeschichte Tschinghiane oder 1950 den Jugendroman Tschitsch der Ehrgeizige.
Der etwas merkwürdig anmutende Titel
Auf barfi.ch ist folgende Beschreibung über den kleinen Nazi zu lesen:
Jeden Mittwoch erschien die Kinderbeilage der National Zeitung unter diesem Namen. Das machte durchaus Sinn, denn der Volksmund nannte diese Zeitung, die politisch deutlich linker war als ihre Konkurrentin, die Basler Nachrichten, "Nazi-Zyttig". 1977 fusionierten die beiden Zeitungen zur Basler Zeitung – und die Kinderseite mit dem eigenartigen Titel verschwand von der Bildfläche.

Auch die Wikipedia-Seite der heutigen Basler-Zeitung nimmt in einem Abschnitt über den kleinen Nazi Stellung zum verständlicherweise etwas "eigenartigen" Titel:
Die Bezeichnung stammt daher, dass die National-Zeitung in Basel im mündlichen Sprachgebrauch «Nazi-Zyttig» (mit kurzem A gesprochen) genannt wurde. Die Bezeichnung hat nichts mit Nazi im Sinn von Nationalsozialist zu tun.
Über die Unverfänglichkeit des für Aussenstehende etwas kontroversen Begriffes "Nazi" berichtet auch der u. A. für die National-Zeitung wie auch den Nebelspalter tätiger Publizist Hanns Ulrich Christen (besser bekannt unter dem Kürzel -sten) in einem Nachwort an Bolo im Nebelspalter Nr. 21 von 1973:
Die «Nazi-Zyttig» war somit sogar stolz darauf, als eine der ersten Schweizer Zeitungen von den richtigen Nazis verboten zu werden. Eine glaubwürdigere Abgrenzung zum dritten Reich konnte man sich fast nicht wünschen.
Was aber ging im Urheber selbst vor? Dem "Getti" des kleinen Nazis? Hatte er sich nicht spätestens dann, als die Granaten ins Elsass flogen, Gedanken über eine Namensänderung gemacht? Eine Antwort dazu lieferte Bolo um 1950 gleich selbst, als ihm ein Text mit der Überschrift Warum "Der kleine Nazi"? aus dem Bündner Tagblatt zugespielt worden war:

TL;DR
Wir bleiben, was wir sind, die deutschen Nazi gehen uns nichts an!

Freude der Kinder - Inspiration der Cliquen - Fundus der Sammler
«Dr glai Nazi» war für die Kinder von Basel und der Region vorallem in den 30er, 40er und 50er Jahren, bevor der Fernseher in das Wohnzimmer Einzug hielt, die grösste Freude der Woche. Wenn am Mittwoch des Vaters Zeitung ins Haus flatterte, wurde eiligst der kleine Nazi extrahiert und los gings mit Geschichten, Witzen und «Kryzis» (Kreuzworträtsel) welche auch eingeschickt werden konnten. In der nächsten Ausgabe wurden vom «Getti» dann jeweils die glücklichen Gewinner verkündet.
«Dr glai Nazi»wurde 1927 auch als Fasnachts-Sujet von Bolos Märtplatz-Clique ausgespielt, selbstverständlich mit Bolo als Zeedel-Autor.


Auch die Alten Stainlemer, Bolos erste Clique, in welcher er seine Trommlerkarriere 1918 gestartet hatte, war dem kleinen Nazi eng verbunden. So spielten sie jahrzehntelang bei jedem Monster-trommelkonzert, zu welchem sie mit der Jungen Garde zugegen waren, kostümiert als als kleine Nazis im gestreiften Hemd, kurzen Hosen und dem schwarzen Beret. Ein Bild davon ist heute noch an einer Wand im Keller der Alten Stainlemer zu sehen:

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass die Kinderbeilage auch immer wieder Platz für die Veröffentlichung von Fremdgeschichten bot, darunter beispielsweise auch solche von Karl May, wie in «Karl May-Fans graben den Waldkönig aus Bolos Mottenkiste» ausführlich berichtet wird.
Da diese Geschichten fremder Autoren für diese Kinderbeilage teilweise extra mit neuen, aufwändigen Illustration bestückt worden waren, dienen sie auch heute noch als beliebte Grabungsstelle für illustratorische Trouvaillen. Unser Privat-Bestand ist u.a. deshalb so interessant, da der «Kleine Nazi» auf dem freien Antiquariatsmarkt kaum zu finden ist.
So fand zum Beispiel vor einigen Jahren ein Historiker des Historischen Museum Basels den Weg zu uns, da er während Recherchen zum «Scheich Ibrahim» (Johann Ludwig Burckhardt) zur Erkenntnis gelangt war, dass eine Kindergeschichte über diesen inkl. reichhaltiger Illustrationen im Kleinen Nazi zu finden seen. Und damit lag er durchaus richtig.
Zum Schluss noch einige zufällige Impressionen aus "Der kleine / Dr glai Nazi":
Für Neugierige
Die Familie Mäglin hat folgende Ausgaben dieser jeweils wöchtentlich erschienenen Beilage in Papierform in ihrer Obhut:
- 1926: Fast komplett
- 1927: komplett, gebunden
- 1928: komplett, gebunden
- 1929: teilweise
- 1930: teilweise
- 1932: komplett, gebunden
- 1935: komplett, gebunden
- 1936: komplett, gebunden
- 1941: komplett, gebunden
- 1950: teilweise
Auf Wunsch können digitale Kopien einzelner Seiten angefragt werden. Ganze Ausgaben können aktuell auf privater Basis (Kontakt) und später im BLA (Basel Literarisches Archiv) der Unibasel eingesehen (und bei Bedarf selbst gescannt) werden. Eine Anfertigung einer kompletten digitalen Version aller vorhandenen Ausgaben ist für die Zukunft ebenfalls nicht ausgeschlossen.











